Griechische Polis und Römisches Reich: Politische und rechtliche Stellung der Fremden in der Antike (‘Greek Polis and Roman Empire: the Political and Legal Conditions of Strangers in Antiquity’). In: A.C./Lutz Raphael (eds.): Fremd und Rechtlos? Zugehörigkeitsrechte Fremder von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, Köln 2014, 85-120.
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Seit der archaischen Zeit erwies sich der Stadtstaat der Mittelmeerwelt als Raum politischer und kultureller Innovation. In ihm wurden die Grenzen von Zugehörigkeit und gradueller Fremdheit erstmals in einer Weise rechtlich definiert und ausdifferenziert. In solchen Fällen bedingten vor allem die Bedürfnisse nach Versorgungssicherheit und Verteidigungsfähigkeit eine kontinuierliche Ausdehnung auf das Umland und die Entwicklung einer hohen Partizipation der Mitglieder. Zugleich war aber durch die Polisstruktur der äußere Rahmen gesetzt. Sehr erfolgreiche Städte wie Sparta, Athen, Korinth, Karthago, Syrakus oder Rom schöpften diesen Rahmen bis ins 5. Jh. v.Chr. viel weiter aus als die meisten Zeitgenossen, bis auch sie die Grenzen für die Expansion ihres politischen Verbandes gekommen sahen. Darüber hinausreichende Machtentfaltung gestaltete sich zunächst kolonial durch die Aneignung exterritorialen Siedlungslandes für die eigenen Bürger oder aber hegemonial durch die politisch-militärische Bindung der Unterlegenen. Wo diese Stellung dauerhaft behauptet wurde, konnten die Abhängigkeitsverhältnisse in eine Form des niederen Bürgerrechts übergehen (perioikia, municipium). Dass die Römer letzteres weiter an ihre civitas optimo iure anglichen, setzt ihre fortschreitende Expansion voraus: Spätestens ab 167 v.Chr. beanspruchten sie, ihren Willen rings um die Mittelmeerküste mit diplomatischen oder militärischen Mitteln durchsetzen zu können, waren dafür freilich auf das italische Wehrpotential angewiesen. Nach der Phase eines polyzentrischen ‚Imperialismus‘ dominierte Rom die Mittelmeerwelt immer ausschließlicher. Besondere Bedingungen für Inhaber des römischen Bürgerrechts, geteilte Loyalitäten unter lokalen Politikern und die abnehmende Verbindlichkeit der polis als Schicksalsgemeinschaft untergruben die Exklusivität der politeia. Zum Durchbruch gelangte diese Entwicklung aber erst, als die griechische Mittelschicht den dauerhaften Verlust der außenpolitischen Autonomie und damit die Beschränkung demokratischer Entscheidungsfreiheit akzeptiert hatte. Ein Netz dauerhaft oder vorübergehend niedergelassener römischer Bürger überzog das Mittelmeergebiet bereits seit dem späten 2. Jh. v.Chr. und verdichtete sich sodann durch Viritanverleihungen, Latinerrecht und Armeedienst. Bis zum Bundesgenossenkrieg hatte die Elite der latinischen Kolonien schon überwiegend die civitas und sicherte so den römischen Sieg. Jedenfalls aus heutiger Sicht erscheint da die pauschale Zivitätsschenkung Caracallas geradezu überfällig.