Großzügige Praxis der Bürgerrechtsvergabe in Rom? Zwischen Mythos und Wirklichkeit. (‘Were the Romans Generous in Conveying Their Citizenship? In-between Myth and Reality’), edited by the Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2009 (=Colloquia Academica. Akademievorträge junger Wissenschaftler 2009.1). 41 pp.

 

Abstract (German)

Während die moderne Literatur die Integrationsfähigkeit der Römer zu loben pflegt, ist der Quellenbefund widersprüchlich: Antike Zeitgenossen wie Philipp V. von Makedonien oder Aelius Aristides preisen zwar die Offenheit des populus Romanus, doch finden sich zahlreiche Belege für die Vorenthaltung politischer Rechte gegenüber Neubürgern, für Massenausweisungen von Immigranten aus Rom und überhaupt für hohe Hürden beim Erwerb der civitas Romana. Angemessen verstehen läßt sich die römische Bürgerrechtspolitik nur im Kontext der demographischen Entwicklung Italiens und der imperialen Politik der Römer. Überdies basieren viele scheinbare Unstimmigkeiten auf modernen Mißverständnissen: Denn nicht wenige Grundannahmen zum hohen Wert des römischen Bürgerrechts oder zur Zwangsläufigkeit der italischen Einigung sind im Jahrhundert der Nationalstaatenbildung geprägt worden. Exemplarisch herausgegriffen wird die Annahme der rechtlichen Privilegierung der Latiner aufgrund ihrer Stammesgemeinschaft mit den Römern, speziell ihr angebliches Recht auf Einbürgerung allein durch ihren Umzug nach Rom: Dieses sog. ius migrandi wird als moderner Mythos entlarvt. Im Umgang mit den Latinern bewiesen die Römer ebenso wie gegenüber den Eliten der Reichsstädte, den ehrenhaft entlassenen Veteranen und den ehemaligen Sklaven, daß sie Fremde gemäß ihrem Nutzen für die Bürgergemeinde ganz oder partiell inkludierten oder aber von ihrer Gemeinschaft ausschlossen. Damit ist nicht zuletzt auch ein wesentlicher Faktor für die viele Jahrhunderte anhaltende Stabilität des Imperium Romanum bestimmt.